Autogenes Training ist eine Entspannungstechnik, die erstmals 1932 von dem deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz veröffentlicht wurde. Die Technik beinhaltet die Wiederholung einer Reihe von Visualisierungen, die von stimmlichen Suggestionen begleitet werden und einen Entspannungszustand herbeiführen.
Autogenes Training basiert auf der passiven Konzentration auf Körperwahrnehmungen wie Schwere und Wärme der Gliedmaßen, die durch Selbstsuggestionen unterstützt werden. Passive Konzentration bedeutet, dass sie sich auf innere Empfindungen und nicht auf Umweltreize konzentrieren.
Autogenes Training wird zur Linderung vieler stressbedingter psychosomatischer Störungen eingesetzt.
In folgenden Ausbildungen gehen wir tiefer darauf ein:
Autogenes Training wurde von dem deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz vor der Medizinischen Gesellschaft in Berlin vorgestellt. In den 1920er Jahren war Schultz von der Psychoanalyse enttäuscht und begann, neue Therapiemethoden zu erforschen. Seine Suche wurde stark von seinen Erfahrungen mit dem deutschen Neurologen Oscar Vogt beeinflusst, mit dem er über Schlaf und Hypnose forschte.
Bei seinen Forschungen mit Vogt stellte Schultz fest, dass die Hypnotisierten oft ein Schweregefühl in den Gliedmaßen sowie ein Gefühl von angenehmer Wärme verspürten. Aus Interesse an diesem Zusammenhang untersuchte Schultz, ob die Vorstellung einer solchen Schwere und Wärme in den Gliedmaßen zu einer Selbsthypnose führen könnte.
Unter seiner Anleitung konnten sich Schultz' Patienten für eine selbstbestimmte Zeit in einen hypnotischen Zustand versetzen, indem sie sich einfach einen Zustand von Schwere und Wärme in den Gliedmaßen vorstellten.
Diese kurzzeitigen mentalen Übungen schienen Stress oder Auswirkungen wie Müdigkeit und Verspannungen zu reduzieren und gleichzeitig Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen zu beseitigen.
Inspiriert von dieser Forschung und Vogts Arbeit interessierte sich Johannes Heinrich Schultz für das Phänomen der Autosuggestion. Er wollte einen Ansatz zur Entspannung erforschen, der die unerwünschte Passivität der Patienten und die Abhängigkeit vom Therapeuten vermeidet. Zu diesem Zweck entwickelte Schultz eine Reihe von sechs Übungen, die er autogenes Training nannte.
Autogenes Training ist am erfolgreichsten, wenn du es mit einer ausgebildeten Fachkraft, z. B. einem Kursleiter für Autogenes Training, durchführst.
Wenn du mit der Methode vertraut bist, kannst du diese Entspannungstechniken auch alleine anwenden.
Bevor du beginnst, solltest du dir einen ruhigen, bequemen Ort zum Entspannen suchen. Idealerweise ist das derselbe Ort, den du jedes Mal benutzt, wenn du Entspannungstechniken anwendest. Du kannst diese Übungen im Liegen oder im Sitzen machen. Nimm deine Brille ab und lockere alle engen Kleidungsstücke.
Beginne mit deiner Atmung. Der erste Schritt besteht darin, deine Atmung zu verlangsamen. Achte darauf, dass du eine bequeme Position einnimmst und beginne mit langsamen, gleichmäßigen Atemzügen. Sobald du deinen Atem kontrolliert hast, sage dir: "Ich bin ganz ruhig." Wenn du das zu dir selbst sagst, kann das schon ausreichen, um dich in einen Zustand der Entspannung zu versetzen.
Richte deine Aufmerksamkeit auf verschiedene Bereiche deines Körpers. Beginne mit deinem rechten Arm und wiederhole den Satz: "Mein rechter Arm ist schwer, ich bin ganz ruhig", während du langsam und kontrolliert atmest. Wiederhole dies mit deinem anderen Arm und deinen Beinen und kehre immer wieder zu "Ich bin ganz ruhig" zurück.
Lenke deine Aufmerksamkeit auf deinen Herzschlag. Während du tief einatmest, wiederholst du sechsmal: "Mein Herzschlag ist ruhig und regelmäßig", und sagst dann: "Ich bin ganz ruhig." Dies setzt du für verschiedene Körperbereiche fort, z. B. für den Bauch, die Brust und die Stirn.
Die Technik besteht aus sechs Standardübungen nach Schultz:
Das Autogene Training besteht aus Formeln und Phrasen, die in einer mehr oder weniger festgelegten Reihenfolge vorgesagt werden.
Zum Abschluss der Sitzung kann es hilfreich sein, die Entspannungsreaktion aufzuheben. Die Phrase, die dafür oft verwendet wird, lautet: "Hände zur Faust ballen, Arme anspannen. Atme tief durch. Öffne die Augen.“
Autogenes Training kann zur Entspannung beitragen und in Kombination mit anderen Behandlungsformen die Angstsymptome verringern. Wie andere Formen des Entspannungstrainings auch, kann autogenes Training dazu beitragen, dass du dich ruhig und entspannt fühlst.
Weitere Effekte sind:
Der Hauptnutzen des autogenen Trainings ist die autonome Selbstregulierung, die durch die Beseitigung von Ablenkungen aus der Umwelt, das Training von Bildern, die die autonome Selbstregulierung begleiten, und die Bereitstellung einer Reihe von Übungen, die leicht zu erlernen und zu behalten sind, erreicht wird.
Eine Studie von Laci Spencer legt nahe, dass autogenes Training das Gleichgewicht zwischen der Aktivität des Sympathikus und des Parasympathikus des vegetativen Nervensystems wiederherstellt. Der Autor stellt die Hypothese auf, dass dies wichtige gesundheitliche Vorteile haben kann, da die parasympathische Aktivität die Verdauung und den Stuhlgang fördert, den Blutdruck senkt, die Herzfrequenz verlangsamt und die Funktionen des Immunsystems fördert (Spencer 2015).
Eine Meta-Analyse von Friedhelm und Kupper ergab, dass autogenes Training die Symptome von Angst, Depression und Schlaflosigkeit wirksam reduziert. Außerdem wurde festgestellt, dass sich autogenes Training positiv auf die körperliche Gesundheit auswirkt, z. B. auf die Verringerung von Schmerzen und die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit chronischen Krankheiten.
Auch bei den folgenden psychosomatischen Erkrankungen war das autogene Training wirksam: leichter bis mittelschwerer Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Raynaud-Krankheit sowie Spannungskopfschmerzen und Migräne (Stetter & Kupper 2002).
Autogenes Training hat verschiedene Anwendungsmöglichkeiten und wird bei einer Reihe von pathophysiologischen Erkrankungen wie Asthma bronchiale oder Bluthochdruck sowie bei psychischen Störungen wie Angst und Depression eingesetzt.
Autogenes Training wurde seit seinen Anfängen in Deutschland und seit den frühen 1980er Jahren weltweit klinisch untersucht. Im Jahr 2002 wurde eine Meta-Analyse von 60 Studien veröffentlicht, die bei einer Reihe von Diagnosen signifikante positive Effekte feststellte. Diese Effekte waren ähnlich wie bei den am besten empfohlenen medikamentösen Therapien; und es wurden positive Zusatzeffekte bei den Patienten festgestellt, wie z. B. ihre wahrgenommene Lebensqualität (Stetter et al. 2002).
Autogenes Training wird in der Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Personen mit psychosozialen Problemen empfohlen.
Darüber hinaus ist Autogenes Training bei folgenden Gesundheitsproblemen hilfreich:
Die Schwereübung soll die Entspannung der willkürlichen Muskeln der Gliedmaßen fördern und die für die Stressreaktion typische Anspannung in den Gliedmaßen umkehren.
Die Wärmeübung soll die Blutgefäße in deinen Armen und Beinen öffnen und so den für die Stressreaktion typischen Blutfluss zur Körpermitte umkehren.
Die Herzübung soll die Herzfrequenz normalisieren und die für die Stressreaktion typische beschleunigte Herzfrequenz umkehren.
Die Atemübung soll die Atemfrequenz normalisieren und die für die Stressreaktion charakteristische beschleunigte Atemfrequenz umkehren.
Die Unterleibsübung soll den für die Stressreaktion typischen Abfluss aus dem Verdauungssystem umkehren.
Die Kühle-Stirn-Übung soll die für die Stressreaktion typischen Blutfluss zum Gehirn umkehren.
Eine EEG-Studie deutet darauf hin, dass die Verringerung der afferenten Stimulation eine Verringerung der retikulo-kortikalen Aktivität, eine Verringerung der thalamo-kortikalen Aktivität und funktionelle Veränderungen in den mit dem retikulären System verbundenen Strukturen (Hypothalamus, limbisches System, roter Kern, Globus pallidus) hervorruft (Luthe et al. 1963).
Eine andere Studie stellt die Hypothese auf, dass der autogene Zustand zwischen dem normalen Wachzustand und dem Schlaf liegt. Sie legt nahe, dass die EEG-Muster, die während des autogenen Trainings auftreten, den elektrophysiologischen Veränderungen ähneln, die in den ersten Phasen des Schlafs auftreten (Israel & Rohmer 1958).
Das Prinzip der passiven Konzentration beim autogenen Training unterscheidet diese Technik von anderen Entspannungstechniken wie der progressiven Muskelentspannung und dem Biofeedback, bei denen die Trainierenden versuchen, physiologische Funktionen zu kontrollieren.
Wie beim Biofeedback ist eine bidirektionale Veränderung der physiologischen Aktivität möglich.
Autogenes Training wird als eine selbsthypnotische Technik eingestuft. Es unterscheidet sich von der Fremdhypnose, bei der die Trance von einer anderen Person herbeigeführt wird.
Autogenes Training betont die Unabhängigkeit des Trainierenden und gibt die Kontrolle vom Therapeuten an den Trainierenden ab. Dadurch entfällt die Notwendigkeit für physiologische Feedbackgeräte oder einen Hypnotherapeuten.
Wenn du Autogenes Training erlernen willst, gibt es zahlreiche Kursangebote. Diese können von Sportvereinen, Fitnessstudios, Gesundheitseinrichtungen oder im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge angeboten werden.
Wenn du dich selbst zum Kursleiter qualifizieren möchtest, kannst du eine Weiterbildung im Bereich Autogenes Training absolvieren.
Im Allgemeinen ist autogenes Training sehr sicher. Es gibt aber Limitationen und Kontraindikationen:
Limitationen
Autogenes Training kann zwar ein hilfreiches Mittel zur Selbstregulierung sein, aber es ist kein Ersatz für eine psychotherapeutische Behandlung. Es sollte nicht bei Menschen eingesetzt werden, die sich nicht an der Realität orientieren, z. B. bei Psychosen, Dissoziationen, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen.
Autogenes Training wird für Menschen mit Herzproblemen nur bedingt empfohlen, da die Herzformel den Fokus auf das Herz lenkt. Da Autogenes Training aber für Menschen mit Herzproblemen positive Effekte mit sich bringt, kann bei diesen Patienten die Herzformel weggelassen werden.
Kleine Kinder sind in ihrer Entwicklung noch nicht so weit, dass sie am autogenen Training teilnehmen können, daher ist diese Methode eher für Jugendliche oder Erwachsene geeignet. Es gibt aber spielerische Varianten, die auf der Grundlage des Autogenen Trainings basieren. Wenn du dich hierfür interessierst, bekommst du in der Kinder-Entspannungstrainer Ausbildung zahlreiche Inspirationen.
Kontraindikationen
Die Technik ist weniger geeignet für Patienten, die schwere psychische Erkrankungen haben. Autogenes Training wird nicht empfohlen für Patienten, die unter psychotischen Störungen wie Schizophrenie leiden.
Autogenes Training ist eine vielversprechende Entspannungstechnik, die bei der Bewältigung von Angstzuständen und anderen psychischen Symptomen hilfreich sein kann.
Autogenes Training funktioniert durch eine Reihe von Selbstaussagen über Schwere und Wärme in verschiedenen Körperteilen. Dadurch wird eine positive Wirkung auf das autonome Nervensystem ausgelöst.
Beim Autogenen Training wiederholst du bestimmte Sätze und konzentrierst dich dabei auf bestimmte Körperregionen.
Bei täglicher Anwendung kann sie ein hilfreiches Mittel sein, um mit Stress und Angst sowie mit Ein- und Durchschlafproblemen umzugehen.