Die Superkompensation ist eine überschießende Anpassungsreaktion des Organismus in Folge einer belastungsinduzierten Auslenkung aus der Homöostase. Die ausgelösten Wiederherstellungsvorgänge verbessern die Leistungsfähigkeit über das Ausgangsniveau hinaus. Die Superkompensationsphase tritt aufgrund des Belastungsreizes erst im Anschluss an eine Erholungsphase ein und ist zeitlich reversibel.
In folgenden Ausbildungen gehen wir tiefer darauf ein:
Zwischen der Belastung und der Anpassungsreaktion des Körpers besteht ein dynamisches Gleichgewicht (Homöostase). Würde kein besonderer Reiz auf den Organismus einwirken, würde das Leistungsniveau nur leicht, in Abhängigkeit von der Tagesform, schwanken.
Trainingsreize bewirken eine Auslenkung aus der Homöostase. Um dieses Gleichgewicht wiederherzustellen und damit der Körper für spätere Trainingsreize derselben Art besser gewappnet ist, kommt es zur Anpassung von Funktionen und Strukturen. Diese Wiederherstellungsvorgänge steigern das Leistungsniveau für einen beschränkten Zeitraum über den Ausgangswert hinaus. Diese Phase, in der die Leistungsfähigkeit über dem Ausgangslevel liegt, ist die Superkompensationsphase.
Würde kein weiterer Belastungsreiz erfolgen, kehrt die Leistungskurve wieder auf das Ausgangsniveau zurück.
Häufig ist davon die Rede, dass die Superkompensation nach ein bis zwei Tagen einsetzt und anschließend zwei bis drei Tage andauert. Dies ist allerdings so pauschal nicht korrekt. Wann die Superkompensation beginnt und wie lange sie anhält, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zudem ist es von Bedeutung, welches System oder Organ betrachtet wird.
Zu den Faktoren, die die Höhe und Dauer der Superkompensation beeinflussen, gehören:
Ursprünglich wurde bei der Beschreibung des Superkompensationsmodells die Dauer der Wiederherstellung ausgeschöpfter Glykogenspeicher betrachtet. Das Prinzip der Superkompensation kann aber im Prinzip für fast alle physiologischen Anpassungserscheinungen nach Trainingsbelastung angewandt werden.
Es gilt aber zu beachten, dass unterschiedliche Systeme auch verschiedene Anpassungszeiträume für die Regeneration benötigen. Man spricht vom Heterochronos der Adaptation. Manche Organe haben kürzere, andere teilweise deutlich längere Regenerationsphasen und Superkompensationszeiten.
So kann die Superkompensation der Muskulatur bei einer Beschädigung des kontraktilen Apparates drei bis acht Tage dauern. Sehnen oder gar Knorpel sind bradytropher (stoffwechselärmer). Die Zeit bis zum Einsetzen der Superkompensation ist deutlich länger, da die Anpassung der Strukturen mehr Zeit erfordert.
Wenn durch Training eine Superkompensation in bestimmten Strukturen oder Systemen hervorgerufen werden soll, ist das Qualitätsgesetz des Trainings zu beachten. Dieses besagt, dass spezifische Reize spezifische Anpassungsreaktionen bewirken.
Spezifische Reize für ausgewählte anatomische Strukturen:
In der Trainingslehre gelten folgende Grundsätze:
Ein sportliches Training zielt im Idealfall auf eine kontinuierliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit ab. Der optimale Zeitpunkt, um den nächsten Trainingsreiz zu setzen, ist der jeweils höchste Punkt in der Superkompensationskurve.
Wie eben dargestellt, ist der beste Zeitpunkt für die nächste Trainingseinheit der höchste Peak in der Leistungskurve. Und genau da liegt die Schwäche des Superkompensationsmodells. Denn es ist extrem schwer, beziehungsweise gar nicht möglich, zu bestimmen, wann genau dieser Zeitpunkt ist oder sein wird.
Zudem ist dieser Zeitpunkt, wie oben dargestellt, bei verschiedenen Organen und Körpersystemen unterschiedlich. Wie lange die optimale Pause oder Regeneration sein soll, ist demnach kaum exakt zu bestimmen. Hier stößt das Superkompensationsmodell hinsichtlich der Praktikabilität und des Nutzens, beispielsweise für den eigenen Trainingsplan, an seine Grenzen.
Durch ein Fehltraining kann die Superkompensation ausbleiben. Wird der nächste Reiz zu früh gesetzt und die Regenerationszeit zu knapp bemessen, gelingt es dem Körper nicht, die überschießende Anpassungsreaktion zu erreichen. Wird dieses Fehltraining über einen längeren Zeitraum betrieben, können negative Effekte wie ein Übertraining (Overtraining) eintreten. Der Trainingserfolg bleibt aus.
Das Prinzip der Superkompensation ist im Grunde auf nahezu alle Anpassungsmechanismen von Organen und Systemen des menschlichen Körpers anwendbar.
Das Prinzip verdeutlicht auf einfache Weise die Reaktion des Körpers auf Trainingsbelastungen und verhilft somit zu einem besseren Verständnis des Anpassungsprozesses.
Der Nutzen in der Trainingspraxis ist allerdings beschränkt, da das theoretische Modell für die Trainingssteuerung keine genaue Bestimmung von Zeitpunkten ermöglicht.
Schröder, J. (2010). Grundlagen des Trainings: Ausdauer, Kraft, Bewegung und Koordination. In: K. M. Braumann & N. Stiller (Hrsg.). Bewegungstherapie bei internistischen Erkrankungen. Berlin: Springer Verlag GmbH.
Weineck, J. (2009). Optimales Training: Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berücksichtigung des Kinder- und Jugendtrainings. Nürnberg: Spitta GmbH.
Zägelein, W. (2013). Der Trainingseffekt – immer höher, immer weiter, immer schneller. In: Move for Life. Berlin: Springer Spektrum.