Der H-Reflex und die M-Welle sind neurophysiologische Phänomene, die sich mittels der peripheren Nervenstimulation evozieren lassen. Nachfolgend erklären wir die Physiologie des H-Reflexes und der M-Welle und erläutern, wie die Reflexantorten zustandekommen.
In folgenden Ausbildungen gehen wir tiefer darauf ein:
Zur Untersuchung der Plastizität des menschlichen Nervensystems wurde in zahlreichen Studien der H-Reflex eingesetzt. Der H-Reflex, der nach Paul Hoffmann benannt ist, wurde erstmalig am Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben (Hoffmann, 1910, 1918).
Er ist das elektrische Pendant zum Dehnreflex, wobei die Muskelspindeln und somit auch das gamma-motoneuronale System umgangen werden. Durch die elektrische Reizung eines peripheren Nervs wie dem N. tibialis, werden sowohl sensorische (afferente) als auch motorische (efferente) Nervenanteile erregt.
Aufgrund ihres größeren Durchmessers und der damit verbundenen niedrigeren Erregungsschwelle, werden die afferenten Ia-Fasern bei ansteigender Reizintensität früher als die efferenten Nervenfasern erregt. Die sensorischen Fasern leiten infolge ihrer Depolarisation das Aktionspotential in orthodromer Richtung zu den im Rückenmark sitzenden α-Motoneuronen. Nach der monosynaptischen Verschaltung wird der Reiz über den efferenten Nervenfaseranteil zum Muskel geleitet und löst dort eine Kontraktion aus, die sich in Muskelzucken äußert.
Im EMG kann diese beim M. soleus in Folge der Reizung des N. tibialis in der fossa poplitea nach etwa 30–40ms sichtbar gemacht werden. Mit zunehmender Reizintensität werden neben den afferenten auch efferente Nervenfasern direkt erregt. Aufgrund des kürzeren Leitungsweges erreicht dieser Reiz den Muskel früher als der Reiz, der über das Rückenmark verläuft. Der frühe und direkte Signalweg über die α-Motoaxone wird als M-Welle bezeichnet.
Die Reizleitungszeit der M-Reflexantwort vom N. tibialis in der fossa polpitea zum M. soleus beträgt ca. 8 ms. In einem bestimmten Intensitätsbereich sind daher im EMG zeitlich gesehen zunächst die M-Welle und anschließend der H-Reflex zu beobachten.
Mit zunehmender Reizintensität steigen zunächst sowohl die M-Welle als auch der H-Reflex nahezu linear an, bis der maximale H-Reflex (Hmax) erreicht ist.
Hmax repräsentiert die α-motoneuronale Erregungsbereitschaft (Latash 2008b, Zehr 2002). Bei noch weiter ansteigender Stimulationsintensität wird der H-Reflex immer weiter unterdrückt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch die Erregung des peripheren Nervs der Reiz nicht nur in orthodromer, sondern auch in antidromer Richtung verläuft. Dies bedeutet, dass der Reiz auf dem efferenten motorischen Axon entgegen seiner ursprünglichen Verlaufsrichtung zum Soma des Motoneurons geleitet wird.
Somit trifft das afferente, orthodrom verlaufende Signal auf eine refraktäre Membran und die Fortleitung der H-Antwort wird somit verringert. Bei Erreichen einer bestimmten Reizintensität wird der H-Reflex durch die antidrome Reizleitung vollständig ausgelöscht. Die Reizstärke der M-Antwort steigt weiter an, da immer mehr Membranen der Axone ihre Depolarisationsschwelle erreichen.
Sobald die Stimulusintensität groß genug ist, dass alle Anteile des peripheren Nervens depolarisiert sind, erreicht auch die M-Welle ihr Maximum. Diese Schwelle wird als Mmax bezeichnet (Latash 2008b). Die Rekrutierung der motorischen Einheiten erfolgt dabei nach dem Hennemann´schen Größenordnungsprinzip: von den kleinen zu den großen Einheiten (Hennemann et al. 1965, Mendell 2005).
Das Verhältnis zwischen Hmax/Mmax-Verhältnis ist ein Messparameter der Erregbarkeit des spinalen Motoneuronenpools (Maffiluetti et al. 2001).
Hoffmann P (1918): Über die Beziehung der Sehnenreflexe zur willkürlichen Bewegung zum Tonus. Zeitschrift für Biologie, 68 (1918) 351-370.
Hoffmann P: Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Reflexe mit besonderer Berücksichtigung der elektrischen Erscheinungen. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1 (1910) 223–246.
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Henneman E, Somjen G & Carpenter DO: Excitability and inhibitability of motoneurons of different size Journal of Neurophysiology, 28 (1965) 599–620.
Mendell ML: The size principle: a rule describing the recruitment of motoneurons. Journal of Neurophysiology, 93 (2005) 3024-3026.
Maffiuletti NA, Martin A, Babault N, Pensini M, Lucas B & Schieppati M: Electrical and mechanical Hmax-to-Mmax ratio in power- and endurance-trained athletes. Journal of Applied Physiology, 90 (2001) 3-9.