2021 war der „Veganuary“ so groß wie nie zuvor: Über eine halbe Million Menschen schlossen sich dem Aufruf der gemeinnützigen Organisation an, den Januar hindurch vegan zu leben. Und auch ohne spezielle Aktion entscheiden sich in Deutschland immer mehr Menschen für eine vegane Ernährung, rein pflanzlich und ohne tierische Produkte. 2020 knackten sie laut einer Umfrage des Datenunternehmens Statista die Marke von einer Million.
Wenn du also ebenfalls mit dem Gedanken spielst, auf Fleisch, Milchprodukte, Eier & Co. zu verzichten oder bereits damit begonnen hast, dann ist dieser Artikel für dich: Erfahre, worauf du bei einer veganen Ernährung achten musst, welche Nährstoffe du im Auge behalten solltest und wie du Mängel vermeidest.
In folgenden Ausbildungen gehen wir tiefer darauf ein:
Der Begriff Veganismus stammt aus dem Englischen und wurde 1944 von Donald Watson, Mitgründer der Vegan Society, aufgestellt. Er beschreibt eine Ernährungs- und Lebensweise, die auf jegliche Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände tierischen Ursprungs verzichtet. Dies schließt neben der pflanzlichen Ernährung also auch Kleidung, Kosmetika usw. ein.
Die Gründe für eine vegane Lebensweise sind vielfältig und reichen von moralischen Beweggründen über den Tierschutz bis hin zum Bestreben, der Umwelt etwas Gutes zu tun, indem man den eigenen Fleischkonsum reduziert. Was ist dein Grund? Wenn du ihn fest vor Augen hast, helfen dir die folgenden Informationen bei der gesunden Umsetzung deiner veganen Ernährung. Zudem erhältst du konkrete Tipps für deinen veganen Einstieg.
Verschiedene Fachgesellschaften haben Lebensmittelpyramiden entwickelt, die dich bei der praktischen Umsetzung unterstützen. Sie enthalten Empfehlungen zur jeweiligen Menge, in der du bestimmte Lebensmittel zu dir nehmen solltest. Um deinen Bedarf an Nährstoffen zu decken, ist es wichtig, dass du dich mit dem Nährstoffgehalt veganer Lebensmittel auseinandersetzt.
Die Gießener vegane Lebensmittelpyramide beinhaltet insgesamt neun Lebensmittelgruppen. Ganz unten in der Pyramide befinden sich dabei die Lebensmittel, die ernährungsphysiologisch wertvoll sind und die du in großen Mengen verzehren solltest. Weiter oben in der Pyramide sind jene Lebensmittel untergebracht, die ernährungsphysiologisch weniger wertvoll sind und die du daher in Maßen konsumieren solltest.
Zuoberst gilt, vegan oder nicht: Achte auf einen adäquaten Konsum von Wasser oder anderen energiearmen Getränken. Darüber hinaus sollten mehrmals täglich Gemüse, Obst und Vollkornprodukte oder Kartoffeln auf deinem Speiseplan stehen. Auch Nüsse, Nussmuse, Hülsenfrüchte, pflanzliche Fette und Öle sowie Milchalternativen nimmst du am besten jeden Tag zu dir. Der Konsum von Snacks, Süßigkeiten und Alkohol sollte hingegen in Maßen erfolgen.
Wenn du dauerhaft vegan essen möchtest, ist zusätzlich die Supplementierung von Vitamin B12 sinnvoll – dazu später mehr. Verwende außerdem jodiertes Speisesalz und vergiss nicht, dass auch der tägliche Aufenthalt im Freien wichtig für deine Gesundheit ist. Veganer ebenso wie Vegetarier und Omnivore benötigen das Tageslicht, um ihren Vitamin D-Bedarf zu decken. In den dunkleren Wintermonaten ist ggf. die Supplementierung von Vitamin D erforderlich.
Wenn du die vegane Lebensmittelpyramide weiter aufschlüsselst, ergeben sich daraus empfohlene Verzehrmengen für die einzelnen Lebensmittel. Die folgenden Mengenangaben helfen dir, deine veganen Mahlzeiten über den Tag zusammenzustellen.
Lebensmittel | Menge |
Getränke | Täglich Ca. 1,5 l Wasser und andere alkoholfreie, energiearme Getränke Empfehlenswert: calciumreiche Mineralwasser ( ≥ 400 mg Ca/l) |
Gemüse | Mind. 3 Portionen täglich Mind. 400 g/d |
Obst | Mind. 2 Portionen täglich Mind. 250 g/d |
Vollkorngetreide und Kartoffeln | 2-3 Portionen täglich Pro Portion: Getreide und Reis: ca. 60-75 g (roh) oder ca. 200-250 g (gegart), Vollkornbrot: 2-3 Scheiben à 50 g, Vollkornnudeln: 125-150 g (roh), Kartoffeln: ca. 2-3 mittelgroße (ca. 200-350 g) |
Milchalternativen | 1-3 Portionen täglich Pro Portion: 100-200 g Sojadrink, Getreidedrink, Nussdrink, Sojajoghurt-Alternativen |
Hülsenfrüchte und weitere Eiweißquellen | 1 Portion täglich Pro Portion: Hülsenfrüchte: 40-50 g (roh) oder ca. 150-200 g (gegart), Tofu, Tempeh, Seitan und Lupinenprodukte: 50-100 g |
Nüsse und Samen |
1-2 Portionen täglich Pro Portion: ca. 30 g |
Pflanzliche Öle und Fette | 2 Portionen täglich 2-3 Esslöffel/d (davon 1 Esslöffel EPA-/DHA-angereichertes Leinöl) |
Außerdem | Täglich
|
Tabelle 1: Empfohlene Verzehrmenge verschiedener Lebensmittel bei veganer Ernährung (Leitzmann & Keller, 2020; Weder et al., 2018)
Vegetarier und Veganer zeigen häufig eine inadäquate Versorgung mit dem wichtigen Vitamin B12. (Übrigens: Auch Fleischesser sind vor dem Vitaminmangel nicht gefeit.) Diesem Mangel kannst du jedoch einfach vorbeugen.
Vitamin B12 ist deshalb so wichtig, weil dein Körper es zum Beispiel zur Zellteilung und im Stoffwechsel benötigt. Das B-Vitamin kommt vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch und Milch bzw. Milchprodukten vor. Zwar können manche pflanzlichen Lebensmittel wie fermentiere Produkte (z. B. Sauerkraut) Spuren von Vitamin B12 enthalten, allerdings sind diese nicht ausreichend, um deinen Bedarf zu decken. Daher empfiehlt sich für Veganer – und auch Vegetarier – unbedingt der Verzehr von Vitamin B12-angereicherten Lebensmitteln oder eine Vitamin B12-Supplementation.
Wenn du die vegane Ernährung konsequent verfolgst, ist es ratsam, dass du dich regelmäßig beim Arzt durchchecken lässt, beispielsweise einmal im Jahr. Er kann eine inadäquate Versorgung mit Vitamin B12 im Blut feststellen. Außerdem überprüft der Arzt deines Vertrauens weitere wichtige Werte wie Zink, Kalzium, Vitamin B2 und Eisen. So kannst du Mängeln entgegenwirken, bevor sie entstehen.
Erwachsene sollten täglich zwischen 0,8 und 1,0 g Protein pro kg Körpergewicht zu sich nehmen. Insgesamt nehmen Veganer geringfügig weniger Protein als Omnivore auf. Allerdings liegt die Menge mit um die 10 Energieprozent (EN%) meist innerhalb der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Wenn du auf tierische Lebensmittel verzichtest, kannst du auf vegane Proteinquellen ausweichen. Denn auch mit pflanzlichem Eiweiß kannst du deinen Bedarf ausreichend decken. Achte hierzu darauf, täglich proteinreiche Lebensmittel (siehe Tabelle 2) in deine veganen Gerichte zu integrieren.
Lebensmittel | Proteingehalt (g/100 g) |
Getreide(-produkte) | |
Weizenkeime | 26 |
Haferflocken | 13 |
Brot, Vollkorn | 8 |
Amaranth | 6 |
Nudeln, Vollkorn, gekocht | 6 |
Quinoa, gekocht | 5 |
Hülsenfrüchte/Gemüse | |
Seitan, zubereitet | 18 |
Soja (TVP), zubereitet | 16 |
Sojabohnen, gekocht | 15 |
Rote Linsen, gekocht | 10 |
Tofu | 9 |
Kichererbsen, gekocht | 8 |
Blattspinat | 3 |
Nüsse, Kerne und Samen | |
Kürbiskerne | 35 |
Hanfsamen, geschält | 30 |
Erdnüsse | 25 |
Leinsamen | 24 |
Sonnenblumenkerne | 22 |
Cashewkerne | 20 |
Mandeln | 19 |
Tabelle 2: Proteingehalt verschiedener Lebensmittel (Souci et al., 2016)
Entscheidend für deine Versorgung ist die Qualität des Proteins, also die Zusammensetzung der Aminosäuren. Limitierende Aminosäuren bei einer pflanzlichen Ernährung sind Lysin (limitiert in Getreideprodukten), Methionin und Cystein (limitiert in Hülsenfrüchten). Die sogenannte biologische Wertigkeit gibt dabei an, wie ähnlich das Nahrungsprotein dem körpereigenen Eiweiß ist. Darüber hinaus gibt es weitere Methoden zur Bestimmung des Nahrungseiweißes wie den Aminosäuren-Score, den essentielle Aminosäuren-Index und die Berechnung zur wahren Verdaulichkeit (Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score, PDCAAS und Digestible Indispensible Amino Acid Score, DIAAS).
Wenn du dir den Muskelaufbau zum sportlichen Ziel gesetzt hast, keine Sorge: Auch mit einer veganen Ernährung ist der gewünschte Muskelaufbau möglich. Zwar ist die aktuelle Studienlage zu veganer Ernährung im Sport gering. Vor allem Studien zu veganen Sportlern sind rar. Die existierenden Studien deuten allerdings darauf hin, dass es zwischen omnivoren, vegetarischen und veganen Sportlern keine Unterschiede hinsichtlich ihrer sportlichen Leistungs-fähigkeit gibt (Lynch et al., 2018). So scheint eine vegane Ernährung für Sportler nach aktuellem Kenntnisstand weder Vor-noch Nachteile mit sich zu bringen.
Damit du als Veganer gezielt Muskelmasse aufbauen kannst, gelten für dich zunächst die gleichen Prinzipien wie für Omnivore: Du benötigst einen gut durchdachten Trainingsplan sowie eine positive Energiebilanz. Das heißt, du solltest täglich etwa 500 kcal mehr zuführen. Dabei benötigst du vor allem Protein für den Muskelaufbau. Kraftsportlern wird empfohlen, täglich etwa 1,2-2 g Eiweiß pro kg Körpergewicht zu sich zu nehmen (Thomas et al., 2016).
In Deutschland liegt die durchschnittliche Eiweißaufnahme bereits bei 1,3 g/kg Körpergewicht (Max Rubner Institut, 2008), so dass du – je nach deinem sportlichen Ziel – womöglich nur geringfügige Anpassungen deines Eiweißkonsums vornehmen musst. Wenn du vegan isst, solltest du dabei besonders auf die Qualität des Eiweißes achten. Wenn diese stimmt, kannst du deinen Bedarf auch mit einer veganen Ernährung problemlos decken und mit deinem Training tolle Ergebnisse erzielen. Das Klischee, Veganer könnten ihren Proteinbedarf nicht decken, ist unbegründet.
Tipp für dich: Die Aufnahme mehrerer kleiner hochwertiger Proteinquellen, über den Tag verteilt, ist effizienter als eine große. Vor dem Training empfiehlt es sich, dass du 10-20 g Protein in Kombination mit ca. 0,5-1 g Kohlenhydraten/kg Körpergewicht aufnimmst. Etwa 15-30 min nach dem Training kannst du 20 g Protein in Kombination mit 0,5-1 g Kohlenhydraten/kg Körpergewicht zuführen, um dem Traum vom Muskelaufbau näherzukommen.
Wie wäre es zum Beispiel mit einem leckeren Haferflocken-Porridge als Pre-Workout-Snack? Das einfache Rezept erhältst du im Video.
Deine Ernährungsweise ist die Gewohnheit schlechthin. Sie zu verändern, bedarf höchster Bereitschaft und Motivation. Deshalb sollte deine Umstellung auf eine vollwertige vegane Ernährung immer individuell erfolgen. Achte darauf, was genau dein Körper braucht und was dir guttut. Berücksichtige außerdem deine Altersgruppe (z. B. Jugendlicher oder Senior) und ggf. weitere besondere Umstände (Schwangerschaft, Stillzeit, Extremsport etc.). Falls du Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel konsumierst, solltest du auch diese bei der Umsetzung deiner veganen Ernährung berücksichtigen. Durch eine vorherige Absprache mit deinem Hausarzt kannst du solche Besonderheiten klären und mögliche negative Interaktionen vermeiden.
Sobald du bereit für deinen veganen Start bist, musst du dich zu Beginn unter Umständen auf Blähungen und ein Völlegefühl einstellen. Aufgrund des vermehrten Verzehrs von Vollkorngetreide, Gemüse und Hülsenfrüchten bei einer pflanzlichen Ernährungsweise erhöht sich der Ballaststoffanteil deiner Nahrung deutlich. Dies kann, wenn du dich zuvor eher ballaststoffarm ernährt hast, zu den genannten Verdauungsproblemen führen. Das Verdauungssystem benötigt unterschiedlich lange, um sich an die neue Menge der zugeführten Lebensmittel zu gewöhnen. Daher ist es – besonders für ältere Personen, die sich möglicherweise jahrelang ballaststoffarm ernährt haben – sinnvoll, die vegane Ernährung schrittweise zu implementieren. Du könntest zum Beispiel in der Anfangsphase jeden zweiten Tag vegan essen oder jeden Tag bewusst eine vegane Hauptmahlzeit einplanen.
Mit den folgenden vier Tipps gelingt dir die Umstellung ganz leicht, so dass veganes Essen schon bald zu deinem routinierten Alltag gehören wird.
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Eine abwechslungsreiche, vollwertige pflanzliche Ernährung kann definitiv gesund sein und deckt den Bedarf aller Nährstoffe (mit Ausnahme der Vitamine B12 und D, siehe oben). Dabei ist „vegan“ nicht gleichbedeutend mit „einfach alle tierischen Produkte weglassen“. Du solltest ganz bewusst eine Reihe neuer Produkte implementieren. Denn es genügt nicht, Käse von der Speisekarte zu streichen und Fleisch gegen Fleischersatzprodukte zu tauschen. Vielmehr bedeutet gesunder Veganismus, die pflanzliche Vielfalt des Planeten zu nutzen. Nicht umsonst gibt es auf der Erde ca. 40.000 essbare Pflanzenarten!